Erfolgreiche gehörlose und schwerhörige Menschen im Beruf

Arbeits- und Lebenswelten, Bildungsgeschichten und Personen

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Schriftsprachkompetenz

„Schriftsprachkompetenz“ bezog sich im Kontext unserer Untersuchung auf die grundlegenden Fähigkeiten des Lesens und Schreibens von Texten. Bis auf eine Person berichteten alle IP, dass sie die Schriftsprache im Verlauf ihres beruflichen Werdegangs und/oder in ihrer aktuellen Berufstätigkeit nutzten bzw. nutzen. Diese Berichte bezogen sich meist auf konkrete Situationen in verschiedenen Phasen ihrer Biographie und konnten den Entwicklungsphasen

  • Kindheit/Elternhaus,
  • Schule,
  • Ausbildung/Studium und
  • Beruf

zugeordnet werden.

Kindheit / Elternhaus

Ein Drittel der Untersuchungsgruppe (31%) berichtete, dass sie bereits im Elternhaus mit Büchern aufwuchsen und ihre Eltern oder (älteren) Geschwister ein Vorbild gaben, selbst zu lesen. Einige Personen betonten dabei, dass sich dies positiv auf ihre berufliche Entwicklung auswirkte.

„… ich könnt´ den Job natürlich nie machen, wenn ich nicht in so `nem Haushalt groß geworden wäre, wo Lesen einfach schon per se dazugehört und Sprache einfach ganz wichtig ist“.

Von einer Förderung des Schreibens bereits im Elternhaus berichteten dagegen nur wenige Personen.

Schule

Während der Schulzeit nimmt die Bedeutung von Lesen und Schreiben erwartungsgemäß zu. 13 Personen (41%) berichteten von „viel Lesen“, um den Schulstoff zu lernen oder nachzuarbeiten:

„Ich hab [in der Schule] auch nicht alles verstanden. Ich hab natürlich wie ein Streber zu Hause gesessen und musste mir vieles selbst aus den Büchern erarbeiten.“

Auch das Schreiben wird wichtig und wurde von einzelnen Personen bewusst trainiert, um in einem zukünftigen Studium bestehen zu können.

„Ich hatte so die Prägung aus der Schule, dass man Eins A sein muss in der deutschen Schriftsprache. Sonst dürft ihr euch nicht zum Studium anmelden, [hieß es].“

Ausbildung/Studium

Das Lesen wurde während der Ausbildung/des Studiums nochmals wichtiger. 18 Personen (56%) betonten die Wichtigkeit des Lesens, um sich den Lernstoff anzueignen. Dabei spielten neben Büchern und Skripten vor allem Mitschriften durch Kommilitonen oder Tutoren eine große Rolle.

Schriftdolmetscher wurden nur in einem Fall - bei der Begleitung eines Meisterkurses - erwähnt. Für die gehörlosen und schwerhörigen Auszubildenden war es eine wichtige Hilfe, wenn Lehrer/-innen oder Ausbilder/-innen die Fachbegriffe für sie aufschrieben, damit sie diese systematisch lernen konnten.

„Der Vorteil war auch, dass man viele neue Wörter lesen konnte und bei einem Test wusste ich dann auch, worum es ging, wenn die wieder aufgetaucht sind“.

Schließlich war eine gute Lesekompetenz auch im Zusammenhang mit dem Nachteilsausgleich bei Prüfungen relevant, wenn anstelle von mündlichen Prüfungen die Fragen schriftlich gestellt wurden.

Das Schreiben erwähnten 10 Personen (31%), meist im Zusammenhang mit Hausarbeiten, Prüfungen oder Klausuren. So verwundert es nicht, dass auch einige von Schwierigkeiten beim Schreiben berichteten, wohingegen von keinem Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Lesen, auch nicht von Fachtexten, erwähnt wurden.

Beruf

Im beruflichen Leben wurde das Schreiben deutlich wichtiger. 24 Personen (75%) berichteten von Schreibaktivitäten im Rahmen der beruflichen Anforderungen. Diese beginnen schon mit der Kommunikation per E-Mail in allen Bereichen des Arbeitslebens:

„Also das allerwichtigste ist der Kontakt per E-Mail. Da kann man alles aufschreiben und dann ist es gut. Wir mailen alle untereinander.“

Weitere typische berufliche Aufgaben waren das Schreiben von Berichten, Protokollen, Briefen, Stellungnahmen, Gutachten, Konzepten, Dokumentationen, Anträgen und anderes.

Auch schriftliches Argumentieren beim Einlegen eines Widerspruchs gehörte für einige IP zu den im Arbeitskontext notwendigen Fertigkeiten. Für eine Teilnehmerin war Gut-Schreiben-Können grundlegend Ausdruck der Selbstverantwortlichkeit und Selbstständigkeit:

„Man übernimmt Verantwortung für die eigene Arbeit, beispielsweise indem man… etwas aufschreibt, eine Beschwerde irgendwo hinschickt, einen Antrag ausfüllt, diesen selbstständig schreibt. Aber dann geht es nicht, dass man jemanden bittet, den Antrag für einen zu schreiben.“

Natürlich müssen die meisten im Rahmen ihrer Tätigkeit viel lesen, dies nannten für den beruflichen Alltag explizit jedoch nur noch 5 Personen.

Lesen und Schreiben als Faktoren für beruflichen Erfolg (n=32, Mehrfachnennungen)